Ein Schulhof für Kind und Natur
Der Pausenplatz der Schulanlage Staffel in Moosseedorf wurde entsiegelt und umgestaltet. Der neue Hof bietet vielfältige Spielmöglichkeiten und zahlreiche Nischen, in denen sich die Natur entfalten und von Kindern entdeckt werden kann.
Alle Kinder der Gemeinde Moosseedorf nördlich von Bern gehen auf der Anlage Staffel zur Schule, rund 400 Kinder besuchen hier die Primar- und Sekundarschule. Die Gebäude wurden in drei Etappen zwischen 1963 und 1986 erbaut, die Aussenanlagen entstanden Ende der 1970er-Jahre. Kein Wunder, war die Gestaltung der Aussenräume mittlerweile etwas in die Jahre gekommen: Es hatte kaum Grün auf dem Platz, nur durchwegs gepflasterte Flächen mit einigen wenigen Sitzgelegenheiten, alle Gestaltungselemente waren ausgerichtet auf einen möglichst geringen Unterhaltsaufwand.
Dass dem Aussenraum eine Aufwertung guttun würde, waren sich alle schon länger einig. Michael Glücki, Leiter Bau der Gemeinde Moosseedorf, fasst die Gründe zusammen: «Wir hatten einen kargen Platz, der kaum Angebote für Spiel oder Aufenthalt bot und sich jeden Sommer zur Hitzeinsel entwickelte. Wir wollten mehr Grün und Biodiversität. Auch ein Anschluss der Schule an die Fernwärme stand an, dafür mussten wir im Untergrund neue Leitungen verlegen. Und wir hatten verschiedene Anliegen aus der Bevölkerung, immer wieder wurde der Wunsch nach einem Verkehrsgarten geäussert, in dem die Kinder das Velofahren in einem sicheren Umfeld üben können.»
Partizipativer Prozess
Die Gemeinde wollte die künftigen Nutzerinnen und Nutzer in den Prozess einbeziehen: Nicht nur Schulleitung und Lehrpersonen, sondern auch die Schülerinnen und Schüler sollten mitbestimmen können, wie ihr Hof dereinst aussehen soll. Dafür holte sich die Gemeinde Unterstützung von SpielRaum, die auf die Planung und Realisierung von kindgerechten und generationenverbindenden Aussenräumen spezialisiert sind.
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Projektleiterin Kerstin de Bruin entwickelte in erster Linie einen Prozess: «Partizipation fordert immer Ergebnisoffenheit, dahinter müssen auch alle Beteiligten stehen. Wir hatten zwei wichtige Gremien: einerseits die Projektgruppe, bestehend aus Bauverwaltung, Bildungskommission, Schulleitung und Hauswartung, die Entscheide fällte und andererseits die ganze Schule, die eingeladen war, Ideen einzubringen.» Um möglichst viele Schülerinnen und Schüler zu erreichen, wurden verschiedene analoge und digitale Formate kombiniert: Eine Online-Umfrage und Begehungen vor Ort wurden mit einem Ideenraum ergänzt, in dem Delegierte aus allen Klassen ihre Vorstellungen einbringen konnten. Ausgehend davon wurde ein Raumkonzept und schliesslich ein Vorprojekt entwickelt, das nicht nur bei der Natur, sondern auch bei den Spielangeboten auf Vielfalt setzt.
Viel Grün und spielerische Vielfalt
Der grosse gepflasterte Hof wurde entsiegelt und in kleinere Bereiche unterteilt, in der Mitte entstand eine grosse grüne Insel: Neue Bäume und Sträucher ergänzen den Baumbestand am Rand des Hofs; Hügel schaffen ein vielfältiges Terrain zum Erkunden, Überblicken und Verstecken; eine Holzbrücke überspannt die Fahrbahn, die die grüne Insel unterteilt. Mehrere grosse Steine und Holzplattformen bieten Platz zum Znüni essen, Treffen, Lernen, Rumklettern, Lesen und Ausruhen. Rings um die Insel wurde eine Fahrbahn mit Kurven, Bodenwellen und Gefällen in alle Richtungen angelegt, die mit Velos, Trottinetts und anderen kleinen Fahrzeugen befahren werden kann.
Schon vor der Umgestaltung zierte eine Kletterwand die Fassade des Gebäudes Staffel 2, das spärliche Grün und das kleine Wasserspiel boten aber wenig Aufenthaltsqualität und schon gar keinen Lebensraum für Pflanzen oder Tiere. Neue Bäume und Sträucher erweitern die bisherigen Grünflächen, der bestehende Wasserzugang wird weiterhin genutzt, um einen grösseren Wasserbereich zu speisen, der mit Gestaltungselementen wie Hölzern und Steinen auch Insekten und kleinen Tieren als Lebensraum dient.
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Die Möglichkeiten einer biodiversen Aussenraumgestaltung sind zahlreich, grundsätzlich sei fast alles denkbar. «Nur Gummiböden als künstlicher Fallschutz sind tabu», sagt Michael Horst mit einem Lachen. Er verantwortete die Gesamtprojektleitung bei SpielRaum und konkretisierte das Projekt bis zur Baueingabe. Betreffend Pflanzenarten ist die Auswahl bei einem Schulhof etwas eingeschränkt: «Die Nutzung durch Kinder steht im Vordergrund. Eine gewisse Robustheit ist also entscheidend, und alle giftigen Pflanzen sind ebenfalls ausgeschlossen», erklärt Horst weiter. Sinnvoll ist es zudem, schon bei der Planung vom Vorhandenen auszugehen: «Wir arbeiten mit dem Material vor Ort und wollen möglichst wenig zu- und abführen. Wir haben nur wenig Oberboden hinzugefügt und den vorhandenen Kies weiterverwendet.»
Biodiversität mit positiven Nebeneffekten
Die Verbesserung der Biodiversität war ein zentrales Anliegen der Gemeindeverwaltung. Bereits 2010 hat der Gemeinderat veranlasst, 28 Standorte in der Gemeinde aufzuwerten: Mit naturnahen Blumenwiesen und Ruderalflächen, Büschen und Wildstauden wurden neue Lebensräume für Insekten, Spinnen und Kleintiere geschaffen. Diese Erfahrungen trage die Verwaltung heute in alle Projekte hinein, erklärt Michael Glücki: «Das Thema Biodiversität muss noch viel mehr Beachtung finden als heute. Und wir als Gemeinde sind in der Pflicht, als gutes Beispiel voranzugehen.» Vorteilhaft sei zudem, dass viele Massnahmen für die Biodiversität gleichzeitig der Anpassung an den Klimawandel dienen. Insbesondere entsiegelte Böden sind nicht nur die Grundlage für alle natürlichen Lebensräume, sondern heizen sich auch weniger stark auf und lassen Regenwasser versickern, was dem Mikroklima zugutekommt. Synergien finden sich auch im Detail: So schützen die neuen Holzplattformen, die um die bestehenden Bäume angelegt wurden, einerseits deren Wurzelraum vor starker Verdichtung und Belastung, bieten aber auch Aufenthaltsmöglichkeiten direkt unter der kühlen, schattenspendenden Krone und können im Sommer als Freiraum-Klassenzimmer oder für Gruppenarbeiten genutzt werden.
Unterhalt als Erfolgsfaktor
SpielRaum sieht die eigene Aufgabe nicht nur in der Planung: «Wir leisten immer auch Aufklärungsarbeit: zum Thema Partizipation, zum Thema Biodiversität und zur zentralen Rolle des Unterhalts», so Michael Horst. Denn eine naturnahe Gestaltung fordert einen anderen Unterhalt. Dieser sei zwar anspruchsvoller, aber entgegen dem gängigen Vorurteil nicht unbedingt zeitaufwendiger. Umso wichtiger sei es darum, die Verantwortlichen von Anfang an einzubeziehen: «Die Hauswartung gehört in die Projektgruppe, die die Entscheide fällt, das ist ein wichtiger Erfolgsfaktor», so Michael Horst. Denn die Natur und ihre Vielfalt entwickeln sich erst mit der Zeit und müssen erkannt und gepflegt werden. Darum beinhaltet ein solches Projekt immer auch Schulungen, Begehungen mit Fragerunden und ein verschriftlichtes Pflegekonzept, das den langfristigen Unterhalt sicherstellt.
SpielRaum setzt sich dafür ein, dass auch die Kinder in den Unterhalt einbezogen werden: «Wenn die Kinder regelmässig fötzelen oder im Herbst das gefallene Laub sammeln, um Igelhaufen zu bauen, dann nehmen sie ihre Umgebung und die Natur anders war», so Kerstin de Bruin. «Das steigert auch die Wertschätzung gegenüber der Arbeit der Hauswartung», ergänzt Michael Horst. Umso schöner, wenn diese alltäglichen Naturerfahrungen langfristig nachwirken und für alle selbstverständlich wird, dass eine vielfältige, naturnahe und artenreiche Umgebung nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Menschen ein Gewinn ist.
Dieser Artikel ist erschienen in TEC21 16/2023 «Geplante Vielfalt».
Umgestaltung Pausenhof Schulanlage Staffel, Moosseedorf BE
Fertigstellung
Herbst 2021
Bauzeit
Juli/August 2021
Baukosten
253 000.– Fr. (ohne Förderbeitrag)
Förderbeitrag
35 370.– Fr.
Unterhaltskosten
ca. 2500.– Fr. / Jahr
Bauherrschaft
Gemeinde Moosseedorf
Bauleitung
Michael Glücki, Bauverwaltung Moosseedorf
Planung
SpielRaum, Bern
Gartenbau
Kunz Gärten, Fraubrunnen
Holzbauarbeiten
Ernst Reber, Moosseedorf