«Wir können als Verein nur gemeinsam wirkungsvoll werden, wenn wir uns auch austauschen»
Alain Oulevey und Urs Rieder leiten den SIA seit Dezember 2022 in einem interimistischen Co-Präsidium. An der Delegiertenversammlung vom 26. April geben sie den Stab weiter. Im Gespräch blättern sie gemeinsam durchs Fotoalbum von 15 Monaten gemeinsamem Wirken.
Urs Rieder, im letzten Gespräch blickten wir auf die DV Ende April voraus. Ihr Ziel war es, dass die Delegierten dann ein hervorragendes Präsidium wählen werden, der SIA sich für eine konkrete Lösung für die Honorarermittlung einsetzen kann und die Umsetzung des #Aktionsplans «Energie, Klima und Ressourcen» einen deutlichen Schritt weiter ist. Es bleiben noch drei Wochen. Wo stehen wir?
Urs Rieder: In allen drei Projekten sind wir einen grossen Schritt weiter. Ich bin optimistisch, dass wir den Delegierten ein Präsidium vorschlagen können, welches hoffentlich einstimmig gewählt wird. Die Arbeiten am #Aktionsplan laufen intensiv. Wir werden an der DV über die bisherigen Aktivitäten informieren und aufzeigen, wie wir auch dank einem breit zusammengestellten Beirat bis zur DV 2025 Massnahmenpläne erarbeiten werden. Damit wird der SIA eine Führungsrolle in der Transformation des Gebäudeparks und der Bauwirtschaft hin zu einer entkarbonisierten Gesellschaft übernehmen können. Für die Honorarkalkulation haben wir das Projekt Aufwandermittlung aufgegleist. Die beiden Teilprojekte «Value app» und Arbeitsgruppe «Honorare» arbeiten intensiv an Lösungen. Parallel dazu wird am Artikel 7 für die neuen LHO gearbeitet. Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und wollen unseren Mitgliedern möglichst bald wieder eine überzeugende Grundlage für die Aufwandermittlung zur Verfügung stellen.
Wir blicken nun anhand von Fotos auf Ihre interimistische Co-Präsidentschaft zurück und beginnen mit dem Lieblingsmoment von Urs Rieder. Entwickelten Sie auf einer gemeinsamen Velotour Ideen für den SIA?
Urs Rieder: Das Foto zeigt mein Velo und jenes meiner Partnerin, es ist symbolisch gemeint. Alain und ich waren als Co-Präsidenten intensiv unterwegs – aber nicht als Tandem, jeder musste selbst in die Pedalen treten. Jeder musste mit Gegenwind kämpfen und durfte sich über Rückenwind freuen. Daneben war Erholung sehr wichtig. Diese finde ich auf dem Velo.
Alain Oulevey: Auch ich fahre Velo, bevorzuge aber das Rennvelo. Wie Radrennfahrer, die an der Strecke angefeuert und mit isotonischen Getränken versorgt werden, wussten wir den Vorstand und die Geschäftstelle hinter uns. Und dass wir beide uns unterwegs austauschen und unsere Velotaschen umpacken konnten, dass einer auch mal eine Aufgabe des anderen übernahm, erlebte ich als sehr hilfreich. Nur so war eine Vereinbarkeit mit unseren beruflichen Verpflichtungen möglich.
Am 28. April waren Sie in einem anderen Setting unterwegs: Auf dem zweiten Foto eröffnen Sie die Delegiertenversammlung im Rathaus von Basel. Der Puls dürfte höher gewesen sein als bei einer entspannten Velotour.
Oulevey: Das ist eine gute Erinnerung für mich. Urs und ich haben uns rasch in unsere Rolle als Co-Präsidenten eingefunden. Für die Versammlungsleitung an sich half sicher auch die Zweisprachigkeit, die Stimmung im Saal war sehr gut. Die Versammlung fand ja auch an einem wunderbaren Ort statt.
Rieder: Wir waren mit den Ergebnissen wahrlich zufrieden. Angesichts der intensiven Vorgespräche nahmen wir das nicht als selbstverständlich hin. Der Verein wurde durch Peter Dransfelds Rücktritt verunsichert, und es standen wichtige Geschäfte an. Ich denke etwa an die Gründung einer Spezialkommission, welche die Ereignisse rund um diesen Rücktritt untersuchen sollte, aber auch an die Anträge zur Weiterarbeit an der Aufwandermittlung und zur Lancierung des #Aktionsplans. Wir sitzen hier in Bern, deshalb erscheint mir folgende kleine Anekdote passend: Am Vorabend der Delegiertenversammlung diskutierten wir um Mitternacht noch intensiv mit ausgewählten Delegierten in der Hotellobby. Seither ist für mich «die Nacht der langen Messer» vor den Bundesratswahlen definitiv mehr als ein abstrakter Begriff.
Im September folgte dann das SIA-Forum. Das dritte Foto zeigt Sie gemeinsam mit Vertreterinnen von Sektionen, Berufsgruppen und Partnerorganisationen sowie Parlamentskandidaten. Bestimmt ein schöner Moment, war Ihnen der Austausch doch besonders wichtig.
Oulevey: Wir können als Verein nur gemeinsam wirkungsvoll werden, wenn wir uns auch austauschen. Das SIA-Forum ist für mich Ausdruck dieses Grundverständnisses. Nach hoch interessanten Inputs zu den Sustainable Development Goals und zu den CO2-Zielen haben wir in Workshops diskutiert, wie der SIA noch fokussierter auf deren Erreichung hinarbeiten kann. Denn genau darin liegt ja das Ziel unseres #Aktionsplans.
Rieder: Am SIA-Forum haben wir das Projekt so richtig angestossen. Die Schlussrunde, an der sich wichtige Exponentinnen und Exponenten aus dem Verein mit Kandidierenden für den National- und Ständerat austauschten, zeigte eine grosse Geschlossenheit. Wir sind uns einig, dass wir handeln müssen. Bei der Lösungsfindung schätzt die Politik den SIA als Partner. Wir haben eine Verantwortung, die ich unbedingt wahrnehmen möchte.
Eine wichtige Partnerorganisation, insbesondere auf dem politischen Parkett, ist für den SIA Bauenschweiz. Alain Oulevey, Sie leiten die Stammgruppe Planung unseres Dachverbands. Das vierte Foto zeigt Sie gemeinsam mit Geschäftsführer Christoph Starck an einem Online-Meeting. Was bedeutet diese Zusammenarbeit für den SIA, und was konnten Sie bewegen?
Oulevey: Diese Zusammenarbeit hat viel Potenzial: Gemeinsam können wir Themen voranbringen, Allianzen schmieden und Einfluss auf die Politik nehmen. Die Bauwirtschaft umfasst neben den Planenden viele weitere Berufsgruppen. Jede muss einen Beitrag leisten, jede muss auch mal einer anderen den Vortritt lassen und Kompromisse eingehen. Nur so funktioniert Bauenschweiz als Dachorganisation. Im Vorstand arbeiten wir trotz teilweise sehr divergierender Interessen gut zusammen. Umso wichtiger ist es, dass sich der SIA mit einer starken Stimme einbringt. Das Präsidium der Stammgruppe Planung gibt uns Gewicht. Die Direktorin Cristina Schaffner hat Bauenschweiz in den letzten Jahren einen grossen Schritt weitergebracht.
Rieder: Alain hat unsere Ansichten bei Bauenschweiz hervorragend vertreten – als Geschäftsführer eines eigenen Ingenieurunternehmens ist er dafür prädestiniert. Ich durfte den SIA im Gegenzug im Architekturrat vertreten, der an der Lancierung des SIA Masterpreis Architektur beteiligt war. Und mit dem ich weitere schöne Erinnerungen verbinde, beispielsweise die Teilnahme an der Generalversammlung und den Besuch der Biennale in Venedig.
Anfang Jahr folgte dann die Swissbau. Das fünfte Foto zeigt Urs Rieder bei der Bekanntgabe der Shortlist des Prix SIA. Ein Erfolgsprojekt, das während Ihres Co-Präsidium lanciert wurde.
Rieder: Die Konzeptionierung dieser Auszeichnung war eine Knochenbüez, zumal der Prix SIA die Projekte als erste Auszeichnung nach den acht Kriterien der «Davos Declaration» bewertet. Umso grossartiger war die Arbeit ab der Lancierung im Juni. Dass die Jury im November 169 Projekte beurteilen durfte, war schlicht überwältigend. In diesen Wochen folgen die Prix-SIA-Talks über die neun nominierten Projekte, anschliessend das Publikumsvoting und schliesslich die grosse Preisverleihung im Mai.
Oulevey: Die Swissbau ist für den SIA ein zentraler Event, weil sie eine super Netzwerkplattform mit der Branche bietet. Ich war bei der Eröffnung dabei. Wir organisierten eine inhaltlich sehr interessante Veranstaltung mit der Stammgruppe Planung von Bauenschweiz und warfen einen Blick auf unsere Branche im Jahr 2050. Das war inspirierend. Langfristig muss die Swissbau wohl, wie andere Messen auch, ihr Format überdenken, um sich als wichtigste Austauschplattform der Branche zu behaupten.
Wir schliessen ab mit Alain Ouleveys Lieblingsmoment. Auf dem sechsten Foto sehen wir einen Mond. Das müssen Sie erklären.
Oulevey: Meine Frau und ich waren bei Urs und dessen Partnerin zu Gast. Nach einem guten Essen und einer wunderbaren Flasche Bordeaux genossen wir die laue Sommernacht. Dieses Foto habe ich mit meinem Handy aufgenommen. Es ist von erstaunlicher Qualität und damit Symbol für die Macht und Geschwindigkeit der digitalen Transformation, die wir alle erleben. Aber es zeigt auch, dass das Erkennen der Realität immer schwieriger wird, da vermutlich KI im Spiel war. Ausserdem zeigte mir dieser Abend auf der Berghütte im Berner Oberland einmal mehr, dass wir unserer gestalteten Umwelt Sorge tragen müssen. Dass es sich eben lohnt, «gemeinsam wirkungsvoll für einen nachhaltig gestalteten Lebensraum» zu sein, wie es die SIA-Vision vorgibt.
Rieder: Dass Alain ein Foto von meinem Kraftort ausgewählt hat, freut mich natürlich. Wir haben gemeinsam viele Projekte angestossen und vorangetrieben. Über unsere strukturellen Veränderungen im Vorstand und im Verein haben wir noch nicht gesprochen. Durch die Aufteilung der Vorstandsarbeit auf mehrere Schultern und eine verbesserte horizontale Kommunikation zwischen den Gremien soll der Verein von den Kompetenzen aller Engagierten profitieren.
Oulevey: Zudem haben wir die Integration der Romandie vorangetrieben. Und wir werden in den kommenden Monaten weitere Empfehlungen der Spezialkommission umsetzen, mit dem Ziel eines noch agileren und handlungsfähigeren Vereins, der stets im Sinne seiner Mitglieder und der Planungsbranche handelt.
Alain Oulevey und Urs Rieder haben nach Peter Dransfelds Rücktritt im Dezember 2022 das Co-Präsidium ad interim des SIA übernommen. Oulevey war damals seit einem halben Jahr Vizepräsident, im April 2021 wurde der Bauingenieur mit eigenem Büro in Lausanne in den Vorstand gewählt. Rieder gehört dem SIA-Vorstand seit 2013 an. Der Gebäudetechnikingenieur amtete ebenfalls seit 2022 als Vizepräsident des Vereins, zudem präsidiert er den Fachrat Klima und Energie. Er hat eine Professur an der Hochschule Luzern inne. Oulevey und Rieder werden sich nach der Übergabe des Präsidiums weiterhin im Vorstand engagieren.