Ein Grabenprojekt, das nicht begraben werden sollte
Die Idee zur Mehrfachnutzung einer Bahninfrastruktur inmitten der Stadt Zürich nimmt Fahrt auf. Der Verein Seebahn-Park liess eine technische Machbarkeitsstudie erarbeiten und will den nötigen Anstoss geben, damit die städtischen Behörden ihren politischen Auftrag wahrnehmen.
Eigentlich ist die Situation in Bezug auf den Seebahn-Park, die planerische Vision des gleichnamigen Zürcher Vereins, klar: Für den rund 1 km langen und zwischen 20 und gut 40 m breiten Bahneinschnitt zwischen dem Bahnhof Wiedikon und dem ehemaligen Güterbahnhof (vgl. auch TEC21 20/2021) weisen sowohl der kommunale Richtplan als auch die Fachplanung Hitzeminderung klaren Handlungsbedarf aus. Während Ersterer eine Überdeckung des Einschnitts als «Freiraum mit besonderer Erholungsfunktion» beziehungsweise «ökologischen Vernetzungskorridor» taxiert, verzeichnet Letztere das Projekt als «geplanten Freiraum» im Programm zur Klimaanpassung. Dank des Engagements des Vereins Seebahn-Park ist darüber hinaus nicht nur die Behördenverbindlichkeit zur Umsetzung von Massnahmen gegeben, sondern es liegen auch konkrete Umsetzungsideen auf dem Tisch.
Dennoch war bislang vonseiten der städtischen Behörden kein Startschuss zur Ausarbeitung eines entsprechenden Projekts zu vernehmen. Vielmehr lief der Verein nach seiner Freude über die Inkraftsetzung des kommunalen Richtplans im Jahr 2022 mit seinen Nachfragen entweder auf oder wurde hingehalten. Seitens Stadt scheint man es trotz hehrer Klimaziele und Absichten zur Schaffung eines Netzwerks von ökologisch wertvollen Lebensräumen mit einem Seebahn-Park-Projekt nicht eilig zu haben; das ist angesichts des Potenzials von 4 ha öffentlicher Parkfläche eher verwunderlich.
Technische Machbarkeit geprüft
Die Überdeckung eines Bahneinschnitts und die Umwandlung der gewonnenen Fläche zu einem wertvollen Freiraum ist nicht nur raum- und landschaftsplanerisch eine anspruchsvolle Aufgabe, sondern auch konstruktiv ein komplexes Unterfangen. Das weiss sowohl die städtische Behörde – sie brachte dies laut Verein auch schon als Argument gegen eine unmittelbare Inangriffnahme eines Projekts vor – als auch der Verein selbst. Jedoch hat dieser mit Carlo Galmarini einen Fachmann mit jahrzehntelanger Erfahrung im konstruktiven Ingenieurbau im Vorstand. Von dessen Büro liess der Verein eine durch Mitgliederbeiträge und Spenden finanzierte technische Machbarkeitsstudie erarbeiten. In dieser Studie unterteilten die Verfasser den Perimeter in sechs einzelne Abschnitte, die praktisch baugleich, aber unabhängig voneinander realisiert werden könnten. Für einen davon, den «Lochergut-Park», haben sie ein Tragwerkskonzept entwickelt und konnten dabei auf ihre Erfahrungen von der Überdeckung der A1 im Bereich der neuen Olma-Messehallen in St. Gallen zurückgreifen. Kurzum fanden sie im Rahmen der Studie eine konstruktive Lösung, die entgegen der ursprünglichen Vision eines geschlossenen Tagbautunnels nun eine offene, galerieartige Konstruktion vorschlägt. Dies bringt wesentliche Vorteile in Bezug auf den Brandschutz, die Realisierungskosten und den Materialeinsatz. Mit der skizzierten Portalrahmen-Konstruktion fanden sie eine Lösung, die eine Bepflanzung mit grossen und entsprechend verwurzelten Bäumen zulässt und damit eine effektive Massnahme zur Hitzeminderung darstellt. Zudem gelang es mit der Studie, die anfänglich im Raum stehenden Bedenken auszuräumen, dass bestehende Baumreihen für das Projekt weichen müssen.
Offene Fragen als Anstoss
Ganz einfach oder gar günstig wird die Sache trotzdem nicht: Die Studienverfasser rechnen grob mit Investitionskosten von rund 30 Millionen Franken für den betrachteten Abschnitt. Da die Schaffung eines Freiraums keine monetären Erträge abwirft und der Materialeinsatz im Tragwerk entgegen den eigentlichen Zielen zunächst zusätzliche Treibhausgasemissionen verursacht, stellt sich die Frage nach der ökologischen Rentabilität. Eine Frage, die im Rahmen der technischen Machbarkeitsstudie nicht beantwortet werden konnte. Umso mehr liegt jetzt der Ball bei den städtischen Behörden, um neben den technischen Umsetzungsmöglichkeiten die finanzielle Machbarkeit und die ökologische Sinnhaftigkeit in einer stufengerechten Tiefe zu prüfen. Zumal vonseiten der SBB als Infrastruktureigentümerin zuletzt offenbar eine grundsätzlich positive Haltung gegenüber dem Projekt signalisiert wurde, ist zu hoffen, dass der Verein mit der erarbeiteten Studie spätestens jetzt bei der Stadtverwaltung auf offene Ohren stösst.
-> Weitere Informationen zum Projekt Seebahn-Park auf: www.seebahn-park.ch