Eine Aneignung von Stadt mit Garten und Park
Wohnsiedlung Huebergasse Bern, 2021. Grundeigentümer: Stadt Bern, Stadtgrün Bern. Baurechtsnehmer: Wir sind Stadtgarten, Bern. Architektur: GWJ Architektur Bern, Landschaftsarchitektur: ORT für Landschaftsarchitektur, Zürich.
SITUATION
In Bern ist Wohnraum rar. Die Stadt selbst gibt eigene Grünflächen für die nachhaltige Besiedlung frei: Ein öffentliches Gartenareal in Holligen musste 100 preiswerten Wohnungen weichen; zur Kompensation des Grünflächenverlusts entstand aber ein grosszügiger Park. Dafür suchte die Stadt Bern als Bodeneigentümerin gemeinnützige Investoren mit einem sozialen Flair für unterschiedlichste Lebensformen. In einem Wettbewerbsverfahren wurde dasjenige Planungsteam ausgewählt, das selbst an einem integrativen Städtebau und an partizipativen Prozessen interessiert ist. Anstatt gestylte Architektur und perfekte Aussenräume zu entwerfen, stach der transdisziplinäre Ansatz hervor: die Lücke im Stadtkörper mit einer Ansiedlung zu schliessen, die Bewohner, Nachbarschaft und Landschaft miteinander verbindet. Der Kunstgriff dafür ist eine altbekannte Typologie: Die offene Gasse als Rückgrat des künftigen Quartierlebens.
WERK
Die fünfteilige Wohnsiedlung Huebergasse integriert sich städtebaulich, architektonisch und gesellschaftlich in das vorgefundene Umfeld. Zwei durchlässige Bauzeilen verdichten den Stadtkörper im Norden des Areals. Die Gasse zentriert das Quartierleben und erschliesst gemeinschaftliche und private Siedlungsräume. Der Süden bleibt dagegen landschaftlich geprägt mit einem öffentlichen Freiraum. Die unterschiedlichen Aussenzonen, die Wohnumgebung und der Park, haben eines gemein: Beide fanden erst in einem Aneignungsprozess ihre definitive Gestalt.
Ein Siedlungsgärtner moderierte zu Beginn die Eigeninitiative aus der Anwohnerschaft. Was diese für ihre Vorgärten erprobten, inspirierte danach auch die endgültige Parkgestaltung. Kinderreiche Familien und Menschen in schwierigen Situationen profitieren von vergünstigten Wohnungen mit kompakten bis suffizienten Grundrissen. Das Zusammensein steht im Mittelpunkt dieser sozialen und begrünten urbanen Wohnansiedlung.
EFFORT
Die auf Stadt und Garten gleichwertig ausgerichtete Siedlungsentwicklung nach innen generiert Mehrwerte nicht nur in sozialer und atmosphärischer Hinsicht. Auch ökologisch funktioniert das Zusammenspiel vielfältig: Kompakte Gebäudeformen begünstigen den energieeffizienten Betrieb und senken den Materialbedarf. Flexible Grundrisse vereinfachen künftige Anpassungen an der Nutzungsstruktur. Im Aussenraum verbessert eine blau-grüne Infrastruktur die mikroklimatische Resilienz des Wohnstandorts, dank einem Schutz vor Starkregen und Hitzewellen.
Angesichts des Klimawandels gewinnt dies für die Gesundheit der Bevölkerung im städtischen Umfeld an Bedeutung. Regenwasser wird für Bäume vor Ort nutzbar und kann auf Naturflächen versickern. Die Parkanlage ist Spielwiese für Kinder, bietet schattige Sitzbänke für ältere Menschen und ist für die urbane Biodiversität ebenso unerlässlich. Ein reichhaltiger Baumbestand und die Platanenallee rund um das ehemalige Gartenareal blieben stehen – der Bewuchs darf weiter zunehmen.